Sardinien mit dem Motorrad ist ein Vorhaben, das ich schon länger auf meiner bucket list habe aber irgendetwas ist bisher immer dazwischen gekommen, nicht zuletzt das Wetter.
OK, 2023 Ende April ein neuer Versuch, Fähre und Unterkünfte sind gebucht, Werner ist mit von der Partie, eine gute Gruppengröße also und wir können auch beide schnell genug, um nicht langsam zu sein und langsam genug, um nicht unter die Raser zu fallen.
Am Abend vor der Abfahrt ein wenig Nervosität, am San Bernardino schneit es bis auf 1000 Meter herunter und das bereitet wenig Freude, zumal die Ausweichroute über den Gottardo ebenfalls ausfällt, da die Schlechtwetterzelle ihren Sitz im Tessin hat. Nun denn, nach einigen Telefonaten und Beratschagungen fassen wir den Entschluss, über den Brenner zu fahren, nur um dann tatsächlich den Reschenpass zu nehmen :). Eine gute Wahl, wie sich zeigen soll, denn auch hier haben wir auf Passhöhe nur schlappe 3° Celsius, leichten Regen und Nebel mit 50 Meter Sicht. Ganz schön kalt, samt der Extraschicht Klamotten, die noch unter die Motorradkombi passen mussten. Aber mei, ja, was solls. Ab Verona wird es dann langsam warm und wärmer, je weiter südlich wir gelangen. Bis wir in Livorno ankommen, sind wir nassgeschwitzt obwohl wir uns um ein paar Schichten erleichter haben. In Livorno angekommen, heißt es erst mal "ghörig eassa", dann ein Gelati und noch die Füsse vertreten, bevor wir die Fähre nach Olbia entern. Sardinien ist in Reichweite einer erholsamen Nacht in unserer kleinen Ausssenkabine.
Der Morgen beginnt hektisch, die Fahrzeuge sprudeln aus dem Bauch der Fähre, wie Sekt aus der Flasche, wenn der Korken knallt. Im Umfeld von Olbia ist entsprechend noch viel Verkehr, der sich aber immer mehr lichtet, je weiter wir dem Ziel, Arbatax entgegenkurven. Natürlich nicht auf direktem Weg sondern mit kurvenreichen Umwegen durch das Gebirge. Nach den ersten 2 Stunden sind wir praktisch allene auf den Straßen unterwegs, was will man mehr. Nach 7 Stunden und 350 Kilometern checken wir verschwitzt und müde in unserem Hotel Sa Contonera in Arbatax ein, als die allerersten Gäste nach der saisonalen Winterpause überhaupt. Die nächsten 3 Tage widmen wir uns ausgiebig dem bergigen Hinterland, das mit schönsten Kurven auf supergriffigen Asphalt verwöhnt, der meist sehr gut ist aber auch immer wieder mal mit Verwerfungen und Schlagöchern um ungeteilte Aufmerksamkeit buhlt. Man muss aber auch mit Ziegen, Schafen, Kühen und natürlich Radfahrern hinter jeder uneinsehbaren Ecke rechnen. Die Strecken sind schnell beschrieben: eine schöner als die andere. Die Landschaft: anheimelnde Korkeichenwälder, bizarr geformte Gebirgszüge, pittoresk anmutende, oft an Berghängen klebende Ortschaften, manche verlassen und dem Zerfall preisgegeben.
Für die zweite Hälfte unserer Inselzeit wechseln wir von Ost nach West nach Alghero, wo wir im netten Agritourismo Bonsai, etwas außerhalb der Stadt, gebucht haben. Die Küsten hier sind sehr bekannt und gelten als schön, was auch stimmt; die Mehrzahl der Touristen sind auch an dieser Küste zu finden. Mit dem Motorrad sieht für mich, nach ein paar Kilomtern Küste, alles ähnlich aus, der Reiz zum Motorrad fahren ist überschaubar. Zumal sich hier eine hoche Dichte an Harley Gruppen findet, deren Piloten vielfach nicht so recht bei Trost scheinen; wenn der Leitwolf vorfährt, folgt die Meute ohne Rücksicht auf Verluste - Lemminge könnten davon lernen. Echt jetzt! Abseits der Küstenlinien gibt es schöne Strecken aber irgendwann spült es einen hier immer wieder ungewollt auf die Schnellstraße, die sich offenbar schwer vermeiden lässt, sofern man nicht auf gravelroads fahren möchte (was mit meiner Honda NT wenig Spass bereitet). Aber ja, auch schön, wenngleich in meinen Augen zum Motorradfahren nicht so schön wie der Osten. Dafür gibts qirlige Städte und schöne Strände.
Ja und irgenwann heißt es halt wieder Abschied. Wir nehmen die Fähre von Porto Torres nach Genua und von dort fahren wir einigermaßen gut ausgeschlafen via Mailand und San Bernardino nach Hause; Werner noch mit einem kräftigen Pässe Nachschlag.
Schön war`s. 3.5oo Kilometer Kurvenspass und die Reifen haben die Tortour auf dem Schmirgelpapierartigen Asphalt durchgestanden, was mich mehr als nur wundert. Ach ja, außer Kurven und Kurven und Kurven und Essen und einer Mernge Cappucino haben wir schon auch das eine oder andere Städtchen erkundet und genossen.